Michael Ilg zu Gast bei Hofgrün, Galerie am Weinberg, Methfesselstr. 10-12,
10965 Berlin
Das rot- weisse Karo
Präsentation Freitag, 16. Mai, 18 Uhr Eröffnung und kleines Wildpflanzenbuffet des Künstlers
Freitag, 27.Juni, 18 Uhr- Finissage
Wertschöpfung
Das rot- weisse Karo ist das international vielleicht bekannteste Muster aus der Folklore. Nicht einmal die schottischen Muster der Clans haben es zu solch weltweiter Bekanntheit gebracht.
Das einfache Würfelmuster aus einfachen roten Karos auf weißem Grund ist bereits seit Urzeiten der Fotografie bekannt. Wir sehen vor uns: Kaffeetrinkende Familien in Laubenkolonien, Sommerfeste in Biergärten usw.- alle am eingedeckten Tisch mit dem Muster.
In den 70er Jahren, als ich noch ein Bub war, trugen mein Bruder und ich ein ebenso gemustertes Hemd, damals ganz und gar markenlos, waren wir darauf stolz. Urwüchsige Kniebundhosen, grellrot zopfgemusterte Wollpullover usw.. ergänzten das kernige Accessoire.
Wir als Kleinstädter wollten in den Bergen auch als Alpinisten gelten.
Heute hat jede Pizzeria oder Trattoria, gleich wo auf der Welt, die etwas auf sich hält, das rot- weiße Karo als Tischtuch, und es scheint kein Ende seiner zeitlosen Popularität absehbar zu sein.
Vielleicht ist es in seiner heimeligen Folkloristik das erste Design, das im globalen Welthandel für Gastlichkeit steht.
Jedenfalls ist schwer nachvollziehbar, wie das auf uns mitteleuropäisch
wirkende Muster bis nach Korea, Japan und anderswohin gekommen sein kann- gibt es etwa einen Export von Gemütlichkeit?
Als Import hingegen dürfen die Pflanzen gelten, die sich, aus allen Erdteilen eingeschleppt, ebenso erfolgreich bei uns etabliert haben- die sogenannten Neophyten.
Nachtkerze aus Nordamerika, seit Jahrhunderten hier, gilt schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Altes Gemüse“.
Unverzichtbar in der Homöopathie, ja sogar im Reformhaus als „Gammaprim- Dragees“ zu finden ist sie unverwüstlich-widersetzlich, schmackhaft-herzhaft, ihre Wurzel für uns, die Blüten für die Insekten.
Oder der aufrechte Sauerklee, Oxalis stricta, auch ein ehemaliger Ami, heute Oxalis europaea- er ist ein echt sauer-frischer Widersetzling*.
Die Reihe ließe sich unendlich lang fortsetzen- der Tisch ist reichlich gedeckt in der Gärtnerei Hofgrün, während die Kunden was fürs Auge, die Nase und die Seele zu Balkonien suchen, bleibt zwischen den Containergruppen von Pflanzenfamilien wie Phlox, Sedumarten, rankender Lonicera und Schwestern jede Menge Köstliches trotz Mulch und Wegekanten.
Das Emblem des Karo als Pflanzenetikett verweist auf diese und gibt Anregungen zu den Widersetzlingen.
Die Raster der Pergolen, die während des Sommers die sonnenexponierten Passagen des Weinbergs schattieren, dienen als eigenes Wegeleitsystem, welches mit Hilfe des rot- weißen Karos, als Gewebe zwischen einzelnen von ihnen aufgespannt, zu den köstlichen Widersetzlingen hinführt. An den einzelnen Stationen des Weges, zwischen den angebauten, erwünschten Pflanzen, gibt es Hinweise auf Eßbares, was nicht (mehr!) aufwendig importiert werden muß, Denkanstösse, Ideen zur Zubereitung, Geschmacks- und Sinneseindrücke.
*Hybrid-/ genfrei, eigene Wortschöpfung für alle Pioniere, ungewollte, zugeflogene, frei- /unfreiwillig eingeschleppte oder ausgewilderte Pflanzen, die ihre ursprüngliche, unmanipulierte Vitalität bewahrt haben.
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